Zuhause bei den Mauereidechsen

Wer den Blick für Natursteinmauern schärft, entdeckt sie im gesamten Kantonsgebiet: etwa auf dem Weg zum ehemaligen Kapuzinerkloster in Altdorf, entlang der Strasse in die Göscheneralp oder als Abgrenzung der Landwirtschaftsflächen in Bürglen. Wie es ihr Name schon sagt, bestehen die Mauern ausschliesslich aus naturbelassenem Material. Als niedrige, aufgeschichtete Trockenmauern oder als bis zu drei Meter hohe, mit Sand und Grubenkalk verfestigte Mörtelmauern grenzen sie öffentliche Gassen und Flächen von privaten Parzellen oder Weiden ab. Für den Urner Justizdirektor Daniel Furrer sind sie jedoch weitaus mehr als naturnahe Grenzmarkierungen: «Die teils historischen Zeitzeugen sind wichtige Lebensräume für Pflanzen und Tiere im gesamten Kanton. Die Natursteinmauern strukturieren gleichzeitig unsere Landschaft und prägen das Ortsbild. Zu ihnen Sorge zu tragen, lohnt sich für uns alle.»
Zuhause von Insekten und Reptilien
Die Grundlage zur Pflege von Natursteinmauern findet sich im eidgenössischen Natur- und Heimatschutzgesetz. Es hält fest, dass Lebensräume von Pflanzen und Tieren zu erhalten sind – wie jene der 300 Pflanzenarten, die bei einer Erhebung an den Altdorfer Mauern gefunden wurden. Zimbelkraut, Brennnessel, Scheinerdbeere und ihre Artgenossen bieten zusammen mit den Spalten, Löchern und Zwischenräumen wiederum perfekte Räume für Insekten und Reptilien. So fühlt sich in den Steinwällen zum Beispiel die Mauereidechse besonders wohl. In Uri ist eine grössere Population der kleinen Tiere heimisch. «Gerade im dichten Siedlungsraum nehmen Mauern für die Artenvielfalt wichtige Funktionen wahr», fasst Georges Eich zusammen. Der Leiter Abteilung Natur und Landschaft findet die Biotope aber auch bau- und kulturhistorisch interessant: «Einige Natursteinmauern in Uri datieren zurück bis ins 15. Jahrhundert. Sie zeugen davon, wie die Menschen ihr Kulturland mit Terrassen erweiterten, wie sie Hänge schützten und Wiesen ‹schönten›.»
Aufträge für Regionalfirmen
Dass der Kanton Uri den Wert dieser Mauern erkannt hat, machen derweil nicht nur die Aussagen von Daniel Furrer und Georges Eich deutlich. Seit über 20 Jahren ist in Uri auch ein spezielles Förderprogramm in Kraft. Es unterstützt den Aufbau und Erhalt von Natursteinmauern durch finanzielle Beiträge für Sanierungen und Unterhaltsarbeiten sowie durch gezielte Projekte wie die 1993 gestartete Altdorfer Mauersanierung «Almausa». Bund, Kanton, Gemeinden und Stiftungen beteiligen sich gemeinsam an den Kosten. Besonders erfreulich sei dabei, dass durch das Förderprogramm auch wirtschaftlicher Mehrwert nach Uri gebracht werde, erklärt Georges Eich. «Einige Unternehmen aus der Region haben sich auf schonende Sanierungen spezialisiert. So bietet der Erhalt der Mauern eine interessante Aufgabe für das lokale Gewerbe.»